MRT-Bilder des Gehirns zeigen das biologische Alter eines Menschen

Künstliche Intelligenz kann biologisches Alter auf 2,3 Jahre genau bestimmen

Biologisches Alter des Menschen ist ein Forschungsschwerpunkt der
Leonard Davis School of Gerontology (University of Southern California, Los Angeles)
Credit: https://gero.usc.edu/



Wissenschaftler der Leonard Davis School of Gerontology (University of Southern California, Los Angeles) haben eine Software entwickelt, mit der sich das biologische Gehirnalter und (kognitive) Krankheitsrisiken eines Menschen bestimmen lassen. Grundlage sind MRT-Bilder des Gehirns. Die Forscher gehen davon aus, dass sich im Gehirn viele krankheitsbedingte Veränderungen sehr früh finden lassen.



Möglicherweise werden bildgebende Verfahren des Gehirns in einigen Jahren zur Standarddiagnostik zählen, wie Stethoskop und Ultraschall. Statt Ranglisten für Radiologen gibt es dann vielleicht Rankings der besten neuronalen Netzwerke zur Interpretation der Bilder.





Seit vielen Jahren gibt es Ansätze, das biologische Alter von Menschen zu bestimmen. Man will auf diese Weise feststellen, ob ein Mensch biologisch jünger oder älter ist als der Durchschnitt der Menschen seines kalendarischen Alters, um darauf Rückschlüsse auf seinen Gesundheitszustand, Krankheitsrisiken und – letztlich – seine Lebenserwartung zu ziehen. Dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl von Labor-Verfahren, die durch Analysen von z.B. Blut, Urin, Speichel oder Hautpartikeln Hinweise auf Alternsprozesse suchen. Darüber hinaus gibt es eine noch grössere Zahl von Fragebögen, mit deren Hilfe man innerhalb weniger Minuten Hinweise auf sein biologisches Alter bekommen soll. Auf Smartphones kann man entsprechende Apps installieren, z.B. Apps die anhand eines aktuellen Fotos das biologische Alter eines Menschen bestimmen wollen.



Beispiele für Laborverfahren: https://www.longevityadvice.com/best-biological-age-tests/



Beispiele für Fragebogen-Tests:
https://www.biological-age.com/
https://www.onmeda.de
https://www.aok.de



Beispiel für Desktop-App: https://www.microsoft.com
Smartphone Apps sind in grosser Zahl im Apple App Store und Google Play Store verfügbar.



Das von den Wissenschaftlern der kalifornischen Leonard Davis School of Gerontology entwickelte System lässt hoffen, dass man in Zukunft das biologische Alter eines Menschen sehr präzise bestimmen kann. Sie gehen davon aus, dass sich viele Altershinweise und altersbedingte Veränderungen, die heute z.B. mit Laborverfahren ermittelt werden, viel früher und präziser im Gehirn finden lassen. Grundlage dafür sind MRT Bilder des Gehirns, für deren Auswertung sie ein sogenanntes neuronales Netzwerk entwickelt haben. Diese Software haben sie durch das Einspeichern von über 4.000 MRT Bildern und den Altersangaben und Diagnosen der Patienten „intelligent" gemacht. Mit diesen Informationen kann das System nun neue MRT Bilder auswerten, indem es sie mit den gespeicherten Bildern vergleicht und Schätzungen abgibt über Alter und mögliche Krankheitsrisiken der Probanden.



Welchen Nutzen hat die Bestimmung des biologischen Gehirnalters?



Wenn das berechnete Gehirnhalter höher ist als das kalendarische Alter, kann dies auf zu erwartende kognitive Einschränkungen hindeuten. Die Forscher hoffen, dass man durch eine solche Form der Früherkennung demenzielle Prozesse erfolgreicher beeinflussen kann als bisher. Die künstliche Intelligenz gibt auch Hinweise, welche Gehirnareale vermutlich am stärksten von Alterungsprozessen betroffen sein werden und könnte deshalb maßgeschneiderte Therapien ermöglichen.



Biologisches Alter: Die Gehirne von Frauen und Männern altern unterschiedlich



Das von den Forschern entwickelte KI-Modell zeigt auch, dass manche Gehirnareale bei Männern schneller altern als bei Frauen, und umgekehrt. Bei Männern altert offensichtlich der Motorkortex, der willkürliche Bewegungen steuert, schneller. Dies könnte erklären, warum Männer häufiger als Frauen an Parkinson erkranken. Bei Frauen zeigen die MRT-Bilder ein relativ langsames Altern der rechten Gehirnhälfte. Da die rechte Gehirnhälfte für paralleles Verarbeiten von Informationen zuständig ist, könnte dies darauf hindeuten, dass die angeblich typisch weibliche Fähigkeit des Multi-Taskings, vielen Frauen auch im hohen Alter erhalten bleibt.



Wie genau sind die Ergebnisse des KI-Systems zur Bestimmung des biologischen Alters?



Die kalifornischen Wissenschaftler haben ihr System mit den MRT von 1.170 Patienten getestet, über die keine Informationen gespeichert waren. Die durchschnittliche Abweichung vom kalendarischen Alter betrug bei gesunden Probanden (deren kalendarisches und biologisches Alter im Durchschnitt übereinstimmt) nur 2,3 Jahre. Dieses Ergebnis ist um rund 1 Jahr präziser als mit einem vergleichbaren Modell, das bisher als „Goldstandard“ galt.



Welche Rolle spielt KI in der Medizin?



Künstliche Intelligenz hat sich in der wissenschaftlichen Medizin in den vergangenen rund 10 Jahren einen festen Platz erobert, vor allem in der Radiologie.



2016 äusserten zwei US-Wissenschaftler die Überzeuung, dass sich die Tätigkeit von Radiologen schon in wenigen Jahren wesentlich ändern werde. Ihre Kernaufgabe bestehe heute weitgehend darin, digitale Bilder zu interpretieren – eine Tätigkeit, welche sehr bald von Algorithmen übernommen werde. Die Radiologie sei schon recht weit fortgeschritten auf diesem Weg: «Bei der Interpretation von Mammographien können Algorithmen bereits einen zweiten Radiologen ersetzen. Bald werden sie hier die menschliche Genauigkeit überholt haben.»



«Algorithmen brauchen keinen Schlaf, sie sind um 2 Uhr nachts genauso präzise wie um 9 Uhr morgens.»

Dr. Ziad Obermeyer, Harvard Medical School, Boston

Für die Radiologie könnte dies bedeuten: Radiologen werden sich zu digitalen Spezialisten entwickeln, um Algorithmen überwachen zu können, welche in der Minute tausende Studien und Bilder verarbeiten. Zusätzlich werde man den erfahrenen Arzt immer brauchen, um Fälle zu beurteilen, die nicht eindeutig oder sehr neuartig sind.



Insofern ist es nicht unrealistisch zu erwarten, dass bildgebende Verfahren in den kommenden Jahren eine noch viel grössere Bedeutung bekommen werden als sie heute schon haben.



Was könnte die Zukunft bringen?



Möglicherweise werden bildgebende Verfahren des Gehirns in einigen Jahren zur Standarddiagnostik zählen, wie Stethoskop und Ultraschall.  Statt Ranglisten für Radiologen gibt es dann vielleicht Rankings der besten neuronalen Netzwerke zur Interpretation der Bilder.



Auf den ersten Blick erscheint dies technisch kaum realisierbar, wenn man die heutigen Anschaffungs- und Betriebskosten bildgebender Verfahren betrachtet. Die Perspektive eines weltweiten Gerätemarktes im Volumen der Ultraschalldiagnostik könnte von einigen der Hersteller aber als attraktiv erachtet werden und die Entwicklung preiswerter und kleiner bildgebender Verfahren voran treiben. Falls die Medizingerätehersteller für eine solche Chance zu träge sind, wäre ein solcher Markt ein attraktives Betätigungsfeld für die Hersteller von Smartphones. Apple und Samsung gehören schon heute zu den innovativsten Unternehmen der Welt.





Was versteht man unter einem MRT?



Link zu einer gut verständlichen Erklärung: https://www.praktischarzt.de/untersuchungen/mrt/



Was versteht man unter einem neuronalen Netzwerk?



Das Konzept der neuronalen Netzwerke stammt aus der Medizin. Ein grundlegender Artikel dazu ist 1990 von einem Neurologen veröffentlichet worden. Aktuell wird der Begriff „neuronales Netzwerk“ intensiv in der Informationswissenschaft verwendet, vor allem im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz.



Neuron ist der wissenschaftliche Begriff für Nervenzellen.  Nervenzellen sind Zellen, die mit anderen Zellen kommunizieren können, Informationen senden und empfangen können. Man schätzt, dass das menschliche Gehirn aus rund 90 Milliarden Nervenzellen besteht.



Ein künstliches neuronales Netz orientiert sich in seiner Funktionsweise am menschlichen Gehirn. Die Nervenzelle, das Neuron, wir durch eine mathematische Formel dargestellt, die einen Input verarbeitet und daraus einen Output generiert. Die Werte der Formel werden durch die Ausgangsdaten definiert. Viele künstliche Neuronen (= Formeln) arbeiten zusammen und ergeben ein neuronales Netz, eine Art künstliches Gehirn.



Neuronale Netze zeichnen sich dadurch aus, dass Computer - ähnlich wie das menschliche Gehirn - mit ihrer Hilfe eigenständig Probleme lösen und ihre Fähigkeiten verbessern können.



Link zu einer weitergehenden, sehr verständlichen Beschreibung: https://www.wfb-bremen.de/de/page/stories/digitalisierung-industrie40/was-ist-ein-neuronales-netz



Biologisches Alter



Literatur



Chenzhong, Y et al. “Anatomically interpretable deep learning of brain age captures domain-specific cognitive impairment” Proceedings of the National Academy of Sciences(PNAS), January 3, 2023, 120 (2) e2214634120, https://www.pnas.org/doi/epdf/10.1073/pnas.2214634120



Obermeyer, Z & Emanuel, E “Predicting the Future — Big Data, Machine Learning, and Clinical Medicine” N Engl J Med. 2016 September 29; 375(13): 1216–1219. doi:10.1056/NEJMp1606181, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5070532/pdf/nihms821556.pdf



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